Steigende Treibhausgasemissionen werden oftmals als einmaliges, unumkehrbares Experiment mit unserem Klimasystem bezeichnet.

Weniger diskutiert man dann schon über das gleichzeitig laufende Experiment mit unserem Finanzsystem, da wir weiterhin Geld in kapitalintensive, CO2-intensive Ressourcen pumpen. Dieser Trend lässt angesichts einer Energiewende weg von fossilen Energieträgern Fragen bezüglich der Marktstabilität aufkommen.

Maßgebliche gesetzliche Regelungen und auch die Forschung setzten sich als Folge der globalen Finanzkrise einem systemischen Risiko aus. Wenn Externalitäten mit keinem Preis versehen sind, kann sich Ungleichgewicht in Finanzinstitutionen konzentrieren und dadurch entsteht das Potenzial für korrigierende Schocks.

Ferner war die globale Finanzkrise ein Beweis für den „Trugschluss der Verallgemeinerung“ – die falsche Schlussfolgerung, dass das ganze System sicher sei, weil einzelne Firmen sicher waren. Des weiteren mag das Verhalten von eigennützigen Unternehmen durchaus rational, im gesellschaftlichen Sinne jedoch suboptimal sein, was die Annahme, dass die Regulierung auf der Mikroebene (Aufsicht, die sich auf die Transparenz und Stabilität einzelner Firmen konzentriert) ausreicht, um das System als Ganzes zu schützen, widerlegt.[1]

Als Folge der Finanzkrise wurden Regulierungsbehörden mit umfassenderen Instrumenten ausgestattet, vor allem, um einen wiederholten Zusammenbruch des Immobilienmarktes zu verhindern. Es ist alles andere als eindeutig, ob diese Instrumente nun für eine Überwachung und Abschwächung der Entstehung von ökologischem Ungleichgewicht in der Infrastruktur und der Finanzsparte im Zusammenhang mit einer CO2-intensiven Wirtschaft ausreichen. Wir sollten die Zeit, die uns zur Ermittlung der Art von nötigen Regulierungen bleibt, um uns vor ähnlichen Gefahren, die aus dem Energiesektor entstehen können, zu schützen, nicht vergeuden.

Einige Marktkommentare haben sich damit befasst, ob nun der jüngste Energiepreisverfall – historisch eine Wohltat für die gesamtwirtschaftliche Lage – die Möglichkeit von Ausfällen und Ansteckung beinhaltet. Long/Short Fund Manager William FitzGerald zieht beispielsweise Parallelen zwischen der Subprime-Krise und dem Energiesektor, und gibt zu bedenken, dass sich ein Energie-Ausfallzyklus ausdehnen könnte, der ähnliche Gewissensprüfungen im viel größeren Unternehmensschuldenmarkt auslösen und zu Abschreibungen und einer Kreditkrise führen könnte.

FitzGerald erkennt jedoch an, dass diese Theorie ihre Kritiker hat; unter ihnen befindet sich auch die Chefin der US-Notenbank, Janet Yellen, die der Meinung ist, dass diese Auswirkungen nur „vorübergehend“ sein würden. Andere Kommentatoren sehen ein Risiko für Unternehmen, aber keine Gefahr der Ansteckung.

Obwohl die kurzfristige Entstehung einer Blase unwahrscheinlich ist, ist die Meinung von FitzGerald über die anfängliche Fehlinterpretation von Marktrisiken und die flüchtige Korrektur, wenn herkömmliche Vorstellungen gestört werden, richtig. Hier ist die Diskrepanz zwischen “Business as usual”-Vorhersagen für das Energiesystem und den Stimmen der Wissenschaft, die uns sagen, was wir tun müssen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abschwächen zu können, bedeutend. Nicht vorhandene formale Regelungen wie ein Preis für Kohlenstoff haben zur Folge, das Marktakteure nicht mit dem Preis dieser Gefahr konfrontiert werden. Das schafft die Möglichkeit von Ungleichgewichten, die sich im System festsetzen.

Die Untersuchungen von Carbon Tracker kommen zu dem Schluss, dass Erdölunternehmen das Risiko einer Energiewende potenziell unterbewerten. Trotz der historischen Volatilität der Ölmärkte sind viele Erdölunternehmen immer noch – auch den jüngsten – Preisrückgängen stark ausgesetzt, ähnlich war es mit ihrem Vertrauen auf ständig steigende Preise.

Einige Kapitalausgaben wurden seitdem aufgeschoben oder völlig gestrichen, es gibt jedoch wenige Anzeichen dafür, dass diese Beschränkungen etwas anderes wären als ein Versuch, die Bilanzen auszugleichen, bis sich wieder höhere Preise einstellen.

Die langfristige Prognose von Exxon (auf der laut Aussage des Unternehmens die Investmentpläne basieren) prophezeit in der Tat eine Business-as-usual-Entwicklung für Öl in den nächsten 25 Jahren.

Die Prognose „rechtfertigt“ diese massiven zusätzlichen Ölemissionen durch die Annahme, dass entgegen der Ölentwicklung der Kohleverbrauch eher bis auf eine Menge reduziert wird (diese aber nicht erreicht), die der Erde eine Chance gibt, die Erwärmung auf 2°C zu beschränken.

Obwohl Exxon scheinbar glaubt, dass eine bedeutende Verringerung des Kohlenverbrauchs eintreten kann und wird, ist das Unternehmen dennoch zuversichtlich, dass den Ölverbrauch nicht dasselbe Schicksal ereilen wird. Das Unternehmen betrachtet ein emissionsarmes Szenario als eines, das außerhalb der vernünftigen Bandbreite von Szenarien liegt, auf die man sich vorzubereiten hat.

Diese Zuversicht widerspricht all dem, was wir über das Klima, den Überschuss an bekannten fossilen Brennstoffen jenseits des 2°C-Ziels des „New Policy Scenarios” der IEA (das bestehende nationale Emissionsreduktionsziele aggregiert, aber das 2°C-Ziel nicht erreicht) und über die Energiewende, die nötig ist, um das Ziel zu erreichen, wissen.

Diese Prognose der Ölunternehmen ignoriert außerdem das disruptive Potenzial von sinnvollen staatlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die möglichen Effizienzgewinne, geringere Nachfrage als erwartet und, was vielleicht am wichtigsten ist, die fallenden Kosten von erneuerbaren Energien, was schlussendlich zu einer Deckelung der Preise für Öl, Gas und Kohle führen kann, wenn man kein Substitutionsrisiko eingehen will.

Es ist schon schlimm genug, wenn Unternehmen ihre Geschäftspläne nicht dahingehend ändern, dass sie mit diesen Risiken umzugehen versuchen; doch das wirkliche Problem für Finanzaufsichtsbehörden ist, wenn die Märkte das Ausmaß des Klimaproblems falsch einschätzen und aufgrund der Zuversicht von Ölunternehmen auf ein CO2-intensives Szenario bauen. Sollten die sich häufenden Umweltprobleme die Politiker quer durch das politische Spektrum überzeugen, dass gehandelt werden muss, werden die einzig annehmbaren Gegenmaßnahmen drastisch sein und die Folgen finanziell disruptiv.

Kurzum stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft mit dem geordneten Rückzug aus CO2-intensiven Brennstoffen und Infrastruktur beginnen wird oder weiter CO2-intensive Vermögenswerte anhäuft, die dann ersetzt werden müssen.

Jede Art der Energiewende wird Jahrzehnte dauern. Das bedeutet, die Wende muss jetzt beginnen, nicht erst Jahre nachdem wir die Probleme durch Jahrzehnte von neuen CO2-intensiven Vermögenswerten noch verschärft haben. Wenn wir einfach Weitermachen wie gehabt, droht eine ökologische Krise, die Politikern drastische Maßnahmen abverlangen wird. Regulierungsbehörden auf Makroebene sollten sich proaktiv verhalten und nicht abwarten, bis diese Risiken Realität werden. Denn wenn das geschieht, werden Politiker nach den Verantwortlichen suchen, die für die Überwachung dieses misslungenen Finanzexperiments verantwortlich waren.

Auch wenn die Auswirkungen erst langfristig zu spüren sind, verlangt die Aufstellung von neuen finanziellen Regulierungsstandards sofortiges Handeln, um die Gefahren von verlorenen Vermögenswerten und dysfunktionellen Kapitalallokationen abzuwenden.Ein hochrangig besetzter Runder Tisch bei der Klimawoche in Paris wird am Donnerstag Finanzaufsichtsbehörden und politische Entscheidungsträger, Investoren und Vermögensverwalter zusammenbringen, um ihre Rolle beim Voranbringen einer geordneten Energiewende zu erörtern.

Das Ziel wäre das Erreichen eines breiten Konsenses und die Unterstützung der Aufstellung einer informellen Arbeitsgruppe, die sich mit diesen Problemen beschäftigt, um Grundsätze auszuarbeiten, die vor der COP21 veröffentlicht werden können.

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Read the first blog: ‘Unlocking funding for a vital low-carbon future’

Read the second blog: ‘Facing up to the fossil fuel risk premium’

Read the third blog: ‘When does the “carbon bubble” become a systemic risk?’

 

Robert Schuwerk, Senior Counsel bei Carbon Tracker und Anthony Hobley, CEO.

 

[1] Dirk Schoenmaker, Rens van Tilburg, Herman Wijfels, “What role for financial supervisors in addressing systemic environmental risks?” [Welche Rolle soll die Finanzaufsicht bei der Behandlung von systemischen Umweltrisiken spielen?] (April 2015) (Zitat von Brunnermeier, M., Crockett, A., Goodhart, C., Persaud, A. and Shin, H. (2009). “The Fundamental Principles of Financial Regulation. [Die grundsätzlichen Prinzipien der Finanzregulierung.] Geneva Report on the World Economy 11, ICBM, Geneva, and CEPR, London.”).

 

Watch here the short video interview to Carbon Tracker’s CEO Anthony Hobley on this topic.

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